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Jahresbericht 2024

Richtige Diagnose –
bestmögliche Versorgung

Joerg-Roessler-web

Video-Laryngoskop

Dr. med. Jörg Rößler, Oberarzt der Zentralen Notaufnahme im Helios Klinikum Bad Saarow, Facharzt für Anästhesie, Full-Instructor ERC (European Resuscitation Council) im Bereich Kinder- und Erwachsenenreanimation. 

„Viele unserer Patientinnen und Patienten müssen wir beatmen, damit wir sie sicher in die Klinik fliegen können. Die Bandbreite der zugrundeliegenden Verletzungen und Erkrankungen ist dabei sehr groß: Sie reicht von Schädel-Hirn-Traumata nach Unfällen aller Art über Vergiftungen bis hin zu schweren Influenzaverläufen. Von Letzteren hatten wir gerade im Winter 2024/25 sehr viele.

Ob eine Patientin oder ein Patient künstlich beatmet werden muss, entscheiden wir sowohl anhand des Zustands als auch anhand der gemessenen Werte für die Sauerstoffversorgung im Blut. Unsere Corpuls-3-Geräte zeigen, ob die Sauerstoffsättigung im Blut der Patienten zu niedrig ist. Gerade Kinder tolerieren niedrige Sauerstoffwerte schlecht. Bei ihnen kommt es dann besonders leicht zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand.

Doch nicht nur bei Kindern dürfen wir bei der Intubation keine Zeit verlieren, um die Patienten zügig wieder mit Sauerstoff versorgen zu können. Damit jeder Handgriff unserer Teams sitzt, nehmen wir als medizinische Crews mehrmals im Jahr an speziellen Simulationstrainings teil. Ich selbst führe solche Simulationstrainings für Intubationen durch.

Illustration_VideolaryngoskopBei der Intubation wird ein Beatmungsschlauch durch den Mundraum und den Kehlkopf bis in die Luftröhre eingebracht. Dafür braucht man eine direkte Sicht auf die Stimmlippen. Der Kehldeckel wird dazu mithilfe des Laryngoskops angehoben. Intubationen können ausgesprochen schwierig sein, unter anderem bei Frakturen im Gesicht, also Knochenbrüchen. Oft haben wir genau einen Versuch, um den Patienten oder die Patientin nicht zu verlieren.

Daher sind wir enorm dankbar, dass wir die neuen spendenfinanzierten Video-Laryngoskope zur Verfügung haben. Dank der Kamera, die mit dem Spatel eingeführt wird, können wir den Beatmungsschlauch sicher durch die Stimmlippen in die Luftröhre schieben. So vermeiden wir, dass der Beatmungsschlauch in die Speiseröhre statt in die Luftröhre eingeführt wird.

Von den neuesten Video-Laryngoskopen, die wir kürzlich dank Spenden angeschafft haben, bin ich begeistert: Die Geräte sind robust und wartungsarm, das Display stellt die Bilder der Kamera in sehr guter Qualität dar, und zwar auch dann, wenn die Lichtverhältnisse schwierig sind, also zum Beispiel bei hellem Sonnenlicht.

Außerdem können wir zu zweit auf das Display schauen, während wir die Intubation durchführen. Der oder die HEMS TC kann sehen, ob und wann es notwendig ist, den sogenannten Krikoiddruck durchzuführen. Dabei wird die Speiseröhre durch Druck mit der Hand gegen den Ringknorpel des Kehlkopfs verschlossen. Sobald wir den Beatmungsschlauch sicher in die Luftröhre geführt haben, kontrollieren wir, ob Atemgeräusche auf beiden Lungenflügeln zu hören sind. Bei Bedarf wird die Lage des Schlauchs angepasst. Und weil der Beatmungsschlauch durch einen Cuff – das ist eine aufblasbare Blockmanschette – in der Luftröhre abgedichtet wird, besteht auch nicht die Gefahr, dass unsere Patientinnen und Patienten während des Flugs Erbrochenes einatmen.

Die Video-Laryngoskopie hat die Beatmung unserer Patientinnen und Patienten insgesamt deutlich sicherer gemacht. Die DRF Luftrettung ist die einzige Rettungsorganisation, die diese Geräte seit über einem Jahrzehnt  flächendeckend einsetzt. Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen, wie wichtig die Geräte bei Notfalleinsätzen sind. Denn Intubationen sind oft schwierig. Und wie gesagt: Häufig haben wir nur einen einzigen Versuch.“

Dr-Dudek

Blutgasanalysegerät

Dr. med. univ. Martha Dudek, Fachärztin für Anästhesiologie, Notärztin in der DRF Station in Mannheim.

„Seit etwa zwei Jahren haben wir immer ein Blutgasanalysegerät, kurz: BGA-Gerät, dabei. Dank ihm können wir Patientinnen und Patienten in vielen und ganz unterschiedlichen Situationen deutlich besser helfen. Denn das Gerät liefert viele Informationen bereits am Einsatzort, die wir früher erst in der Klinik erhalten konnten. Mit dem BGA-Gerät steht uns also Labordiagnostik direkt am Einsatzort zur Verfügung. So können wir in gewissen Fällen frühzeitig erkennen, welche Ursachen einer Erkrankung zugrunde liegen. Immer wieder können wir mithilfe des Geräts sogar Umstände direkt beheben, die potenziell lebensbedrohlich sind.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Sowohl zu wenig als auch zu viel Kalium im Blut kann Herzrhythmusstörungen auslösen, die bis zum Herzstillstand führen können. Früher hatten nur Kliniken und Labore die Möglichkeit, diese Ursache zu diagnostizieren – nicht selten zu spät für die Betroffenen. Es war – insbesondere auch für Angehörige – schwer zu verstehen, wenn leicht behebbare Ursachen vor Ort nicht diagnostiziert und entsprechend behandelt werden konnten. Die Blutgasanalysegeräte ermöglichen nun die richtige Diagnose und eine rechtzeitige, gezielte Therapie, gerade dann, wenn lebensbedrohliche Zustände mit einfachen Medikamentengaben behoben werden können.

Das Gerät hilft uns aber auch, wenn die Analyse keine Abweichung von den Normwerten zeigt, wenn also ‚nichts‘ herauskommt. Auch das ist ein relevanter Wissenszuwachs für unsere Diagnostik. So können wir einige lebensbedrohliche Ursachen bereits vor Ort ausschließen, bevor der Patient dann zur weiteren Diagnostik und Behandlung in eine nahegelegene Klinik gebracht wird.

BGA-01

Wir setzen die Blutgasanalyse jedoch nicht nur im internistischen Bereich ein, sondern auch bei Traumata: Wenn Schwerverletzte große Blutverluste haben, erhalten wir durch das BGA-Gerät wichtige Hinweise darauf, wie es der Patientin oder dem Patienten tatsächlich geht. Äußere Blutungen sind leicht zu identifizieren, aber innere Blutungen sind von außen nicht zu erkennen oder zu quantifizieren. Neben dem Ultraschall kann uns da die Blutgasanalyse helfen und zeigen, wann der Hämoglobinwert grenzwertig niedrig ist oder sich vielleicht schon im lebensbedrohlichen Bereich befindet. In diesem Fall können wir bereits im Hubschrauber Blutprodukte substituieren: In Mannheim haben wir immer Blutkonserven dabei.

Zusammenfassend möchte ich betonen, dass die Blutgasanalyse ein unverzichtbares Tool ist, das wir sehr häufig nutzen. Die DRF Luftrettung ist die einzige Luftrettungsorganisation in Deutschland, die Blutgasanalysegeräte flächendeckend einsetzt. Ich bin allen Spenderinnen und Spendern außerordentlich dankbar, die die Anschaffung der Geräte ermöglicht haben.“

Dr_Katja_Judemann

ECMO

Frau Dr. Katja Judemann, Oberärztin an der Uniklinik Regensburg, leitende (REFO) Hubschrauberärztin der Station Regensburg.

„Wir führen von der Station Regensburg aus viele sogenannte ECMO-Transporte durch: Zum einen transportieren wir Patienten von einer Klinik zur anderen, während sie eine ECMO-Therapie erhalten – ein intensivmedizinisches System, bei dem eine Maschine Atmung und Kreislauf außerhalb ihres Körpers übernimmt. Zum anderen implementieren wir ECMO auch direkt vor Ort – sowohl im Rahmen von Reanimationen als auch bei Lungenversagen oder bei Herz-Kreislauf-Stillständen mit ganz unterschiedlichen Ursachen.

Besonders häufig wurde die ECMO-Therapie natürlich während der Corona-Pandemie angewendet, weil sie selbst schwer geschädigten Lungen Zeit verschafft, sich zu erholen. Doch das ist nur einer von mehreren Anwendungsbereichen. Ganz grundsätzlich können wir mithilfe einer ECMO die Funktion von Herz und Lunge aufrechterhalten und so die wichtigsten Organe mit Sauerstoff versorgen. Welche Organfunktion durch ECMO unterstützt wird, hängt unter anderem davon ab, wo wir die Kanülen legen.

DRF_LUFTRETTUNG_Infografik_ECMO_NEU_Final

So können wir mit ECMO sehr unterschiedlichen Patientinnen und Patienten helfen. Zur Verdeutlichung nenne ich gern ein paar unterschiedliche Fälle, die wir in den letzten Monaten hatten: Wir konnten sowohl einen 31-Jährigen retten, der so stark an Influenza A erkrankt war, dass er Lungenversagen hatte, als auch einen 17-Jährigen, dessen Herz infolge einer Vergiftung aufgehört hatte zu schlagen, und einer 40-jährigen Mutter, die aufgrund eines starken Infekts tagelang im Bett gelegen hatte und dann nach dem Aufstehen eine Lungenembolie erlitt.

Bei allen konnten wir mithilfe der ECMO die Zeit überbrücken, bis die Ursache der Erkrankung bei den Patientinnen und Patienten behoben war – durch eine Operation oder weil die Ursache abklang. Das verdeutlicht auch, dass ECMO bei sogenannten reversiblen Erkrankungen und Verletzungen eingesetzt wird. Dank der Überbrückung mithilfe von ECMO haben die Patientinnen und Patienten die Chance zu genesen, oft sogar vollständig.

Für den Genesungsprozess schwerstkranker Patientinnen und Patienten ist es enorm vorteilhaft, wenn die ECMO-Therapie nicht erst in der Klinik beginnt, sondern so früh und so schnell wie möglich. Deswegen haben wir hier in Regensburg ein besonderes ECMO-Konzept: Wenn wir wissen, dass eine ECMO benötigt wird, laden wir zwei zusätzliche Rucksäcke in den Hubschrauber. Danach nehmen wir einen Kardiotechniker und ein mobiles ECMO-Gerät aus der Uniklinik Regensburg auf. Somit sind wir enorm schnell vor Ort bei den Patientinnen und Patienten und können dort direkt mit der ECMO-Therapie beginnen.

Optimale Rettungskette

Dr. Judemann weist darauf hin, dass die Aussichten für Patientinnen und Patienten am besten sind, wenn die Rettungskette vor dem Eintreffen der Crews gut funktioniert. Bei einer Reanimation ist es optimal, wenn bereits die Ersthelferinnen und Ersthelfer möglichst ohne Unterbrechung eine Herzdruckmassage durchgeführt und beatmet haben – beispielsweise bei Sportlerinnen oder Sportlern, die aufgrund von Kammerflimmern kollabiert sind. Wie bei allen schweren Notfällen ist es hilfreich, wenn die Crews von der Leitstelle gleichzeitig mit dem bodengebundenen Rettungsdienst alarmiert werden – und nicht erst, wenn eine Reanimation mithilfe herkömmlicher Methoden nicht funktioniert. Die Leitstellen der Region Regensburg alarmieren das ECMO-Team in der Regel parallel, wenn es um eine Reanimation geht.

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Dr_Gregor_Lichy

Studie

Dr. med. Gregor Lichy, leitender Hubschrauberarzt der Station der DRF Luftrettung in Stuttgart

„Ich gehöre zur Crew von Christoph 51. Wir nehmen – wie die Crews von Christoph 43 und von Christoph 54 – an einer Studie teil: Es geht um ein innovatives Verfahren, mit dem wir Hirnblutungen direkt am Einsatzort erkennen können. Derzeit sammeln wir noch Daten, genau gesagt GFAP-Werte. Momentan müssen wir das Blut der Patienten noch zentrifugieren und können das Ergebnis nicht sofort ablesen.

Aller Voraussicht nach wird uns aber bereits zum Jahresende ein direkter Vollbluttest zur Verfügung stehen, mit dem wir dann direkt am Einsatzort bestimmen können, ob eine Hirnblutung vorliegt oder nicht. Der spezielle Protein-Bluttest wird zu einer noch besseren Diagnostik und initialen Behandlung beitragen – und uns helfen, noch mehr Menschen zu retten.

Der innovative Protein-Bluttest wird gerade dann eine große Rolle spielen, wenn wir zu bewusstlosen Patientinnen und Patienten alarmiert werden. Die Ursachen für Bewusstlosigkeit können vielfältig sein: von einem Gefäßverschluss über einen epileptischen Anfall bis hin zu einer lebensbedrohlichen Hirnblutung. Das ist eine besondere Herausforderung für uns.

Denn wir müssen entscheiden: Muss der Patient in eine „Stroke Unit“, also in eine auf Schlaganfälle spezialisierte Abteilung, oder in die Neurochirurgie? Welche Klinik kommt infrage? Welche Medikamente sind die richtigen? Bislang konnte erst eine Computertomografie-Aufnahme im Krankenhaus Aufschluss über die tatsächlichen Ursachen geben.

Der Test basiert auf neuen Erkenntnissen in der Neurologie am Klinikum Ludwigsburg. Wir setzen dieses innovative Verfahren als erste Luftrettungsorganisation in Deutschland ein – und zeigen damit einmal mehr, dass die DRF Luftrettung Innovationen in der Notfallmedizin aktiv vorantreibt und die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten immer weiter verbessert.“ 

Hintergrund zur Studie: Einem Forscherteam um Professor Dr. Christian Förch gelang es, ein spezifisches Protein zu identifizieren, das bei einer Hirnblutung sehr schnell aus geschädigten Hirnzellen freigesetzt wird. Dieses sogenannte saure Gliafaserprotein (GFAP) kann mittels eines Plasmtests innerhalb von wenigen Minuten im Blut erkannt werden. Nach einer ersten erfolgreichen klinischen Studie werden im Rahmen einer präklinischen Studie auf Hubschraubern der DRF Luftrettung weitere Erfahrungen gesammelt, um den Nutzen im Rettungsdienst nachzuweisen.