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Jahresbericht 2024

Am Anfang steht ein Traum 

„Meine Frau und ich sind große Schweden-Fans“, erzählt Roland Eisner. „Anfang Februar 2024 flogen wir nach Stockholm – denn wir wollten uns einen großen Wunsch erfüllen: Ice-Skating auf dem Mälaren, einem See nahe der Hauptstadt. Dafür hatten wir eine geführte Gruppentour gebucht.“ 

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Am Sonntagmorgen startet der Ausflug zusammen mit anderen Teilnehmenden aus ganz Europa. Am Ufer gibt es eine Einweisung in das Equipment. „Bei den Vorbereitungen am Seeufer habe ich noch gut gelaunt ein Selfie gemacht.“

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Nur zehn Minuten, nachdem es hieß: „Ab aufs Eis“, stürzt Roland Eisner. „Ich konnte nicht wieder aufstehen, meine rechte Hüfte fühlte sich komisch an, es war kein Schmerz, eher ein taubes Gefühl. Ich hatte mein Bein nicht mehr unter Kontrolle.“

Rettungsdienst und Feuerwehr werden verständigt, denn auch mit Unterstützung des Tour-Guides kann Roland Eisner nicht wieder aufstehen. Außerdem stellen sich – statt einer erhofften Besserung – Schmerzen ein.

Die Feuerwehr zieht den Verletzten vom Eis. Die Verständigung mit den Einsatzkräften erfolgt auf Englisch. Die Verdachtsdiagnose lautet: Knochenfraktur im Bein. „Als ich am Ufer auf die Krankentrage gehoben wurde, hatte ich deutliche Schmerzen. In diesem Moment wurde mir endgültig klar: Das ist etwas Ernstes. Mir wurde ein Schmerzmittel verabreicht, und dann fuhren wir in die Klinik.“  

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Im Krankenhaus: große Ungewissheit. Der Verdacht wird bestätigt: Roland Eisner hat eine Schenkelhalsfraktur. Der Klinikarzt sagt, dass der Bruch operiert werden muss, er kann jedoch keinen genauen Termin nennen. Er spricht von „vielleicht am Folgetag“, denn das Krankenhaus ist stark überlastet: Nach einer langen Schlechtwetterphase waren an diesem Sonntag die Bedingungen für Outdoorsport ideal, zudem hatte es am Vormittag Glatteis gegeben. 
Roland Eisner: „Ich habe mich hilflos gefühlt und mich gefragt, wann und wie es weitergeht, ob meine Frau allein nach Deutschland zurückfliegen muss.“

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Doch dann kommt die rettende Idee: Plötzlich erinnert sich Roland Eisner an den Ausweis für Fördermitglieder der DRF Luftrettung, den er beim Packen daheim in der Hand hielt. Er wählt die darauf angegebene Nummer. 

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Marco Bauer geht an den Apparat. Er hat Dienst in der Einsatzzentrale der DRF Luftrettung am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden. „Ich habe den Mitgliedschaftsstatus geprüft und die Informationen direkt an unseren Arzt vom Dienst, Dr. med. Johannes Meyer, zur Abklärung weitergegeben.“ 

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Dr. med. Johannes Meyer ruft zunächst Roland Eisner und dann seinen behandelnden Arzt in der Klinik in Schweden an. „Herr Eisner schilderte mir seinen Unfall, ich nahm seine Kontaktdaten, seine Verletzungen und die Daten der aktuell behandelnden Klinik auf, die zur Abklärung durch unseren medizinischen Dienst notwendig sind. Wir haben entschieden, dass der Patient zurückgeflogen werden soll: Die Fraktur musste operativ versorgt werden. Und in Stockholm war für Roland Eisner weiterhin kein OP-Termin geplant.“  

Flugorganisation noch am Sonntagabend: Damit der Flieger abheben kann, muss die Einsatzzentrale einiges organisieren. Nachdem die Indikation des Medizinischen Dienstes für einen Ambulanzflug gestellt worden war, erfolgte die Zeitplanung des Flugs. Die Flug- und die medizinische Crew wurden bestimmt und alarmiert. Flugpläne wurden erstellt, Treibstoff wurde geordert und das sogenannte „Handling“ am Flughafen organisiert, das sich um unseren Ambulanzflieger und die Abläufe am Flughafen kümmert. Um den Patienten zum Flughafen Stockholm zu bringen, wurde ein Ambulanzfahrzeug bestellt, ebenso in Deutschland. Eine Zielklinik zur operativen Versorgung konnte für den Patienten schnell gefunden werden. Schließlich konnte Herr Eisner über die Planung informiert werden.
Marco Bauer: „Erst habe ich die Crew über den anstehenden Flug informiert. Dann habe ich mich um die Flugplanung gekümmert. Zu dieser wichtigen Aufgabe der Einsatzzentrale zählen Streckenplanung, Treibstoffberechnung und -bestellung am Zielflughafen und die Abklärung der möglichen Landezeitfenster. Zudem habe ich einen sogenannten Handling Agent am Zielflughafen Stockholm gebucht, der die Abwicklung vor Ort übernimmt. Und ich habe mich wie immer auch um die Bodentransporte gekümmert – sowohl in Schweden als auch in Deutschland.“

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Zwei Stunden vor dem Abflug trifft die Crew in der Einsatzzentrale ein – also: Flugkapitän, Copilot, eine Ärztin und ein Fachkrankenpfleger. 
Klaus von der Heydt, der Teamleiter in der Einsatzzentrale der DRF Luftrettung: „Bevor es losging, habe ich das Team gebrieft. Das ist Standard bei jeder Rückholung, damit allen die wesentlichen Details bekannt sind. Außerdem habe ich der Crew alle relevanten Unterlagen übergeben, darunter den medizinischen Report und Passkopien des Patienten.“

Zur Mittagszeit dann: Take-off! Und Roland Eisner? Der kann es kaum erwarten und beobachtet den Start des Ambulanzflugzeugs auf seinem Smartphone per Flight-Radar – einer App, mit der man Flugzeuge auf der Landkarte verfolgen kann. Kurz nach 14 Uhr kommt der Learjet 35A am Stockholmer Flughafen an.

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Eine Stunde nach der Landung steht die medizinische Besatzung – zu der auch Notärztin Raja Schott gehört – am Krankenbett des Patienten. „Ich habe mir ein Bild der Lage gemacht und die nächsten Schritte mit Roland Eisner und dem medizinischen Personal besprochen. In der Zwischenzeit war das schwedische Team mit Ambulanzfahrzeug für den Transport angekommen. Dafür musste Roland Eisner vom Krankenbett auf die Trage der Ambulanz umgelagert werden. Weil dies bei einer Schenkelhalsfraktur schmerzhaft sein kann, bekam er von uns ein Opiat. Er hatte zwar bereits Schmerzmedikamente in der Klinik bekommen, diese waren aber vor allem für die Ruhelage gedacht.“

Sobald das Medikament wirkt, wird Roland Eisner auf die Krankentrage umgelagert. Zusammen mit seiner Frau wird er mit dem Krankentransportwagen zum Stockholmer Flughafen gebracht. Der von Marco Bauer gebuchte Handling Agent leitet sie zum Ambulanzflugzeug der DRF Luftrettung.

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Endlich an Bord: Roland Eisner wird mit vielen Händen und einem speziellen Einladesystem über die Flugzeugtür in die Kabine des Fliegers gebracht. Kurze Zeit später geht es los. 
Flugkapitän Christian Schaub: „Ich habe vollen Schub gegeben, es waren zirka 2,5 Stunden Flugzeit.“ Roland Eisner: „Der Flug war ruhig. Es war die beste Zeit seit dem Unfall. Keine Schmerzen und einfach Ruhe. Und die medizinische Crew hat mich während des gesamten Flugs betreut.“

Der Rettungswagen für den Weitertransport steht bereit, als Christian Schaub den Learjet 35A auf den Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden landet. Roland Eisner wird in die ungefähr 23 Kilometer entfernte Unfallchirurgie in Achern gebracht.

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Die Aufnahme in der Zielklinik wurde von der Einsatzzentrale der DRF Luftrettung bereits organisiert. Roland Eisner „Wir kamen um 21 Uhr an, und am nächsten Morgen wurde ich direkt operiert.“

Nach einer Woche im Krankenhaus, einer weiteren Woche zu Hause und einer vierwöchigen Reha blickt Roland Eisner zurück: „Es war gigantisch. Man rechnet ja nicht mit so einem Unfall. Und dann kommt so eine Infrastruktur in Gang und so viele Menschen arbeiten Hand in Hand zusammen, um einem zu helfen. Das war ein intensives Gefühl. Ich bin den Menschen, die mir geholfen haben, und vor allem der DRF Luftrettung immer noch sehr dankbar für die großartige Hilfe.“